Viagra und Hautkrebsrisiko: Was ist dran an den Presseberichten?

 

Studienlage zum Zusammenhang von Viagra und Hautkrebsrisiko

Viagra und Hautkrebsrisiko: Aktuell liegen verschiedene Studien und Forschungsergebnisse zu der Frage vor, ob die Einnahme des Viagra-Wirkstoffs Sildenafil das Risiko, an schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom) zu erkranken, erhöht.

Einerseits gibt es mehrere Studien, die statistische Analysen nutzen, um die Frage, ob ein erhöhtes Hautkrebsrisiko eine Nebenwirkung von Viagra ist, zu beantworten. Andererseits liegen inzwischen auch biochemische Forschungsergebnisse zum möglichen Wirkmechanismus auf Zellebene vor.

 

Statistische Analysen mit nicht eindeutigen Ergebnissen

Zwei Studien an insgesamt ca. 40.000 Männern aus Schweden und den USA zur Frage nach dem Zusammenhang von Viagra und Hautkrebsrisiko liefern Indizien für die These, die bereits seit einigen Jahren im Raum steht: Beide Studien haben nämlich unter Viagra-Nutzern eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Hautkrebs-Erkrankungen festgestellt. Allerdings konnten die Studien nicht ausschließen, dass es sich nur um eine Korrelation handelt, weil beispielsweise die Männer, die Sildenafil nehmen, auch häufiger in Solarien gehen oder häufiger intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt sind.

Kürzlich wurde nun eine dritte Studie vorgelegt, für die 20.000 Patientenakten analysiert wurden. Ergebnis dieser Studie: Die Anwender des Potenzmittels verfügen über ein erhöhtes Durchschnittseinkommen und machen deshalb auch überdurchschnittlich häufig Urlaub in der Sonne.

Statt des Viagra-Wirkstoffs Sildenafil könnte die Ursache des erhöhten Hautkrebsrisikos, das in den anderen Studien festgestellt wurde, also an den vermehrten Aufenthalten der Viagra-Anwender in der Sonne liegen.

Also Entwarnung? Nein, keineswegs, denn es gibt noch weitere Forschungsergebnisse zur Frage nach dem Zusammenhang von Viagra und Hautkrebsrisiko: nämlich die Ergebnisse biochemischer Forschung zu den möglichen Wirkmechanismen.

 

Tübinger Forscher weisen Wirkmechanismus auf zellbiologischer Ebene nach

Forscher der Universität Tübingen konnten eine Hautkrebs-fördernde Wirkung des Viagra-Wirkstoffs Sildenafil auf zellbiologischer Ebene nachweisen. Sie können erklären, auf welche Art und Weise Sildenafil das Wachstum von Melanomzellen fördert:

Sildenafil greift stimulierend in die Wirkung des Botenstoffes cGMP ein, der in vielen komplexen Stoffwechselvorgängen des menschlichen Organismus eine wichtige Rolle spielt. Die Forscher konnten zeigen, dass auch Zellen des malignen Melanoms den cGMP-Signalweg für ihr Wachstum nutzen. Normalerweise wird ein ungeregeltes Zellwachstum verhindert, in dem in den Zellen das Enzym PDE5 dafür sorgt, dass neu gebildetes cGMP kontinuierlich abgebaut wird. Dieser natürliche biochemische Schutzmechanismus wird allerdings durch die Einnahme von Sildenafil ausgeschaltet.

Die Forscher gehen davon aus, dass in Folge dieses Eingriffs in den PDE5-Mechanismus Melanome stärker zu wachsen beginnen. Dieser biochemische Zusammenhang könnte erklären, weshalb Sildenafil das Melanomrisiko bei Männern erhöht. Die Forscher gehen davon aus, dass der Wirkstoff zwar das Wachstum von Melanomen begünstigt, nicht aber die Entstehung neuer Melanome.

 

Welche Schlussfolgerung ergibt sich aus dem aktuellen Forschungsstand?

Generell rate ich bei sich widersprechenden Studienergebnissen meinen Patienten zur sicheren Seite: d.h. für mich reicht bereits ein Verdacht, um meine Patienten zu informieren und auf regelmäßige dermatologische Untersuchungen hinzuweisen. Nachdem nun aber auch die Hautkrebs-fördernde Wirkung des Viagra-Wirkstoffs Sildenafil auf zellbiologischer Ebene nachwiesen wurde, gilt umso mehr die Aufforderung zur Vorsicht, zum bewussten Umgang mit dem Thema und zu regelmäßigen dermatologischen Untersuchungen.

Generell zunächst zur Beruhigung: Eine gelegentliche Einnahme des Wirkstoffs Sildenafil und möglicherweise auch anderer PDE5-Hemmer zur Behandlung von Erektionsstörungen ist wahrscheinlich zunächst einmal per se unproblematisch. Jedoch sollten einige Punkte beachtet werden.

 

Regelmäßige Hautkrebsvorsorge besonders wichtig

Generell gilt: Je früher ein Melanom entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Da die biochemischen Forschungsergebnisse jedoch darauf hindeuten, dass der Viagra-Wirkstoff das Wachstum bestehender Melanomen begünstigt, rate ich häufigen Verwendern des Wirkstoffs Sildenafil und anderer PDE5-Hemmer zur Behandlung von Erektionsstörungen dringend zur regelmäßigen, mindestens jährlichen, Hautkrebsvorsorge. Melanome in frühem Stadium könnten durch den Wirkstoff in ihrem Wachstum begünstigt werden und so überdurchschnittlich schnell ein fortgeschrittenes Stadium erreichen.

Die Empfehlung zur regelmäßigen Hautkrebsvorsorge beim Facharzt gilt umso mehr für Potenzmittel-Verwender, die ohnehin ein erhöhtes Melanom-Risiko haben. Dazu gehören Männer,

  • in deren Familie bereits Hautkrebs aufgetreten ist,
  • die in der Kindheit/ Jugend häufig oder besonders ausgeprägte Sonnenbrände hatten,
  • viel Zeit im Freien (beruflich und/ oder in der Freizeit, bspw. beim Sport) verbringen,
  • aktuell oder in der Vergangenheit regelmäßige ein Solarium nutzen bzw. genutzt haben.

 

Melanompatienten sollten Einnahme ärztlich abklären

Melanompatienten sollten vor der Einnahme des Wirkstoffs Sildenafil und möglicherweise auch anderer PDE5-Hemmer zur Behandlung von Erektionsstörungen auf jeden Fall mit ihren Ärzten die Risiken im Hinblick auf die bestehende Hautkrebserkrankung abklären.

 

Die Originalstudien:

US-Studie

Schwedische Studie

Forschungsergebnisse Tübingen

 

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Hautkrebsvorsorge und Hautkrebsbehandlung.

Aktuelle Zahlen zum Auftreten von Hautkrebs in Deutschland.